Metallic-Silber oder Nacht-Blau. Das ist das beliebteste Erscheinungsbild unserer Autos. Gegen diese Monotonie rüsten deutsche Kommunen auf. Sie setzen auf Farbe, je bunter desto besser. Und kein Material wird ausgeklammert: Naturstein, farbiger Kunststein, Kunststoff, Edelstahl, Holz, gemischt, bemalt, geschnitzt. Es ist oft kaum zu glauben, welche Fantasie hier entwickelt wird. Selbst Opas ausgemusterte Weinpresse kommt, blumengeschmückt, wieder zu neuen Ehren.

Sie wissen nicht um was es geht? Es sind Verkehrskreisel!

In der Schweiz und in Großbritannien haben sie schon eine längere Tradition. In der Schweiz entwickelte sich in den letzten Jahren die "Kreiselkunst" als eigene Gattung der Kunst im öffentlichen Raum.
Aber auch in Deutschland und Österreich werden seit den 90ger Jahren zunehmend Ampelkreuzungen durch Kreisverkehre ersetzt, die in der Anfangszeit nur auf verkehrstechnische Effizienz und Sicherheit ausgerichtet waren.
Lange war die Gestaltung des Innenteils dem örtlichen Bauhof anvertraut - und der pflanzte pflegeleichte Büsche oder Bodendecker. Heute wird mehr und mehr bewusst gestaltet. Man möchte eine ansprechende Visitenkarte der Gemeinde präsentieren.


Die Kreiselkunst gewinnt jedoch an Qualität durch Werke namhafter Bildhauer: Etwa Werner Pokorny in Aalen, Robert Schad in Schorndorf, oder Erich Hauser und Heinz Mack in Stuttgart. Solche Kreisel begeistern nicht nur Kunstfreunde. Einige Kommunen haben erkannt, dass dadurch hochklassige Identifikations- und Alleinstellungs-Merkmale geschaffen werden können. Sicher, der „Normalfall“ ist das nicht. Da setzen sich, schon aus Kostengründen, wohlmeinende örtliche Hobby-Schmiede durch, Schulklassen machen eine Gemeinschaftsarbeit, oder ortsansässige Firmen füllen den naheliegenden Kreisel mit Produktwerbung. Auffällig beliebt sind Ortswappen, vom örtlichen Bauhof aus farbigen Kunststeinen gelegt und mit bunten Blumen garniert. Mit Kunst hat das nichts mehr zu tun, es ist bestenfalls Kunsthandwerk, oft auch barer Kitsch.
Aber man weiß ja: Über nichts kann man trefflicher streiten als über Politik und Kunst.



Zu meiner Überraschung haben mich mehrere ungewöhnlich ausdrucksstarke Skulpturen unbekannter Künstler am meisten beeindruckt!

In der Buchreihe Kunst im Kreis (Baden-Württemberg) von Gerd Leibrock und Karin Mader sind bisher erschienen:
Band 1: Ostalbkreis, Kreis Göppingen, Kreis Heidenheim ISBN 978-3-8391-3882-3
Band 2: Kreis Böblingen, Kreis Esslingen, Stadt Stuttgart ISBN 978-3-8391-3883-0
Band 3: Kreis Ludwigsburg, Rems-Murr-Kreis
ISBN 978-3-8391-3884-7
Alle Bände: Format 14,7 x 21 cm, broschiert, mit je 92 Seiten, davon 44 mit ganzseitigen Farbfotos
Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Preis: je € 11,90 - Bestellung über den Buchhandel


Zu den Büchern:
Man staunt, wie umfangreich und sorgfältig das Autorenteam recherchiert hat: Aus 64 Orten werden insgesamt 118 Werke beschrieben, jeweils mit Angaben zum Standort. In Verkehrskreiseln liegen sie nicht unbedingt, sie können auch im Straßenraum, auf Mittelstreifen stehen, etwa Otto H. Hajeks Ortszeichen in Stuttgart. Ganzseitige Fotos geben einen Eindruck, ein paar mal werden leider wenig aussagekräftige Detailaufnahmen verwendet. Werkbeschreibungen (manchmal recht lyrisch) erleichtern einen Zugang zum Verständnis oder zum historischen bzw. örtlichen Hintergrund. Der Künstler wird sehr häufig nur kurz namentlich genannt.


Wer die Vielfalt der Kunstwerke näher kennenlernen möchte, dem bot die Webseite: www.kunstimkreis.de interessante Möglichkeiten der Vertiefung.

Ein vielversprechender Einstieg in eine besondere Welt der Alltagskunst, dem man als Buch und als Webseite unbedingt eine Fortsetzung wünscht!

Leider wurden Webseite + Buchreihe bereits 2010 wieder aufgegeben.

Text: Eberhard Hauff