Bärbel Küster, Hg

Skulpturen des 20. Jahrhunderts in Stuttgart

Kehrer Verlag, Heidelberg (Juli 2006)
Verlag für Kunst, Kultur und Fotografie

240 Seiten, 26 x 17,8 cm, broschiert, bebildert
ISBN-10: 3936636842  -   ISBN-13: 978-3936636840
  -  € 24,80

 

 

 

Die Schwabenmetropole Stuttgart hat, wie etliche große deutsche Städte, eine reichhaltige Sammlung an Skulpturen des 20. Jahrhunderts an durchaus renommierten Standorten. Vor allem die Zeit des Wiederaufbaus - Stuttgart wurde im 2. Weltkrieg weitgehend zerstört - brachte in Verbindung mit mehreren Bundesgartenschauen die Wiederherstellung städtischer Parkanlagen und eine nachhaltige Erweiterung des Skulpturenbestands mit zeitgenössischer Kunst. Oft auch gegen deutlich geäußertes Missfallen der Einwohner.

Seit Jahren existiert auf Stuttgarts Webseite ein recht versteckter Hinweis zu vielen sehenswerten Werken. Der Wunsch nach einer systematischen oder gar vertiefenden Betrachtung bleibt aber unerfüllt. Daher kennt man Stuttgart nach wie vor eher durch Mercedes und Porsche als wegen Maillol und Prager!
Viele Skulpturen blühten bisher nur im Verborgenen. Weniger weil die Schwaben ihren Reichtum gerne verstecken sondern mangels einer guten Präsentation, die ohne Erfassung und vor allem ohne gute Werkinformationen eben nicht gelingen kann.

Hier schafft nun endlich die Publikation „Skulpturen des 20. Jahrhunderts in Stuttgart“ von Bärbel Küster (Herausgeberin) mit zwanzig weiteren AutorInnen eine reichhaltige und interessante Abhilfe.
Eine Projektgruppe des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart trug in mühevoller Kleinarbeit Daten zusammen bei Behörden, Firmen und Institutionen. Nicht für alle Werke konnten Künstler, Titel und Entstehungsjahr ermittelt werden, weshalb diese Bestandsaufnahme auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und will. Zudem musste die Auswahl der im Buch ausführlich beschriebenen Objekte begrenzt werden. Historische Epochen und deren (richtungweisende) Repräsentanten, für Stuttgart besonders wichtige Künstler, Werke an viel besuchten Orten, oder auch bisher monografisch wenig beachtete Objekte international bekannter Künstler: All dies sind Auswahlkriterien für die vorliegende Arbeit.

Gut recherchiert, fundiert und trotzdem (meist) leicht lesbar werden die ausgewählten Einzelwerke vorgestellt, jeweils in ihrem historischen Kontext und den oft spektakulären Entstehungs- und Aufstellungsgeschichten.
Arbeiten werden ins Bewusstsein gebracht, die im Alltag bisher fast unsichtbar blieben: Ein frühes Werk Heinz-Günter

Pragers "4/77 (Stuttgarter Grade)" wird eher als eigenartig gebautes Sitz- und Liegemöbel wahrgenommen und nicht als Werk eines namhaften Künstlers.
Nobert Radermachers "Stuttgart. Fünf Stücke für die Stadt" (1985) benutzt Plätze, "... an denen wir alles Mögliche erwarten, nur keine Kunst." Von seiner mehrteiligen Arbeit ist leider nicht mehr alles vorhanden (manches wurde geklaut). Er versuchte durch kleine Veränderungen alltäglicher Umgebung zu irritieren, Aufmerksamkeit zu wecken.

Den Buchumschlag "ziert" Olaf Metzels Werk "Stammheim" von 1984: Ein drei Meter hoher Ehrenkranz, daneben, über einen Meter hoch und mit weißer Wandfarbe gemalt, "Stammheim". Am Kunstgebäude Stuttgart angebracht, im Blickfeld von Oper, Landtag und Neuem Schloss, anfänglich höchst bekämpft, geriet es auch in der Stadt des RAF-Hochsicherheitstrakts und der RAF-Prozesse immer mehr in Vergessenheit. Doch gerade kommt vieles wieder ins Bewußtsein und Metzel will: " den Finger in die Wunden gesellschaftlicher Erinnerungsarbeit legen".
Eine solche Arbeit, die über ihren direkten zeitlichen Anlass hinaus weist, hat nicht nur in Stuttgart eine stete Aktualität. Sie macht eine grundlegende Intension des Buches deutlich: Zu zeigen, wie gerade die Kunst im öffentlichen Raum "eingreift" in das öffentliche Leben und nicht auf ihre ästhetische Wirkung reduziert werden will. Sie soll unsere Wahrnehmung schärfen und ein Bewusstsein wach halten für soziale und politische Ereignisse und Einsichten. Hier könnte und sollte seitens der Stadt - und das gilt bestimmt nicht nur für Stuttgart - leicht mehr getan werden!

Mit der ausgezeichneten farbigen Bebilderung von Wolfram Janzer, drei (allerdings mageren) Lageplänchen der Werke im Stadtgebiet und einem Künstler-Register macht dieses Buch neugierig auf einen ausgedehnten Kunstspaziergang durch mehrere Stuttgarter Bezirke.
Als Vademekum für einen Rundgang ist das Buchformat - zumindest für Männertaschen - zwar etwas groß, Informationen zur Vor- und Nachbereitung bietet es dafür reichlich an.

Zwingende Lektüre für Skulpturenfreunde bei einem Besuch in Stuttgart!

Stuttgart    zuzuku - Informationsseite

Text: ehauff 09/2006