Moderne
Skulptur - Versuch einer
Rechtfertigung -
Kunst
wird vom Menschen geschaffen. Sie ist damit künstlich - im Gegensatz zum
Natürlichen. Sie ist das Ergebnis eines künstlerischen, gestalterischen
Schaffens. Dabei versucht der Künstler, mit ihm gemäßen Mitteln Dinge zu
gestalten, ihnen einen Ausdruck zu verleihen. Dieser Ausdruck entspringt einer
Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst und/oder seiner Umgebung.
Für die Gestaltung eines bestimmten Ausdrucks verfügt der bildende Künstler
über vielfältige Mittel. Material und Farbe stellen die wesentlichen Gestaltungsmittel
dar. Bei der Auswahl wird der Künstler neben der zu gestaltenden Thematik
innerhalb der Spannungsfelder von "zeitlos - aktuell", "beständig -
vergänglich" usw. auch seine technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten
berücksichtigen.
Der Künstler selbst erzeugt keine Kunstwerke - die Werke des Künstlers werden
erst durch den Kunstmarkt zu "Kunst" erklärt oder auch nicht. Künstlerische
Werke werden somit durch den jeweilig herrschenden Zeitgeist bewertet, aber
auch umbewertet. Kunst hängt auch mit dem "Können" der Künstler zusammen:
Inwieweit versteht es der Künstler, mit seinen gestalterischen (incl. der
handwerklichen) Fähigkeiten seinem Werk einen besonderen, nachvollziehbaren
Ausdruck - und damit einen Sinn - zu verleihen.
Kunst-Objekte wirken durch ihre Ausstrahlungskraft, d. h. durch sich selbst.
Die räumliche Umgebung, das Umfeld kann ihre Wirkung auf den Betrachter fördern
oder abschwächen. Besondere Aussagen können hervorgehoben oder aber zunichte
gemacht werden. Die Beeinflussung des Kunstwerkes durch das Umfeld - aber auch
umgekehrt - ist von großer Bedeutung für beide: Kunstwerk und Umgebung.
So ist es nicht verwunderlich, dass ein und dieselbe Skulptur im Museum auf
einem Sockel, vor einem Gebäude, auf einem Platz, am Waldrand oder in einer
offenen Landschaft eine ganz andere Wirkung auf den Betrachter ausübt. Von
besonderer Bedeutung ist hierbei das Verhältnis von der Größe der Skulptur zum
Umfeld und dem Abstand des Betrachters: Ein kleines Objekt kann von einem großräumigen Umfeld erdrückt werden und umgekehrt.
Wie erklärt sich ein Kunstwerk? Benötigt es eine Beschreibung durch den
Künstler? Sicherlich ist eine solche für das Verständnis nützlich, wie auch die
Kenntnis der Situation, in der das Kunstwerk entstand. Letztlich aber wirkt es
in einer ureigenen Art auf den Betrachter, wie auch das Umfeld. Wenn der
Betrachter will, kann es zu einem Dialog kommen - zu einer neuen Erkenntnis
oder eine neuen Sichtweise von Dingen, die ihn umgeben oder beschäftigen.
Gegensätze von schief und gerade, eben und krumm, einfach und komplex können
angesprochen und entsprechend eigener Vorstellungen bewertet werden. Dabei
spielt die momentane, persönliche Situation des Betrachters eine besondere
Rolle.
Dieser Vorgang der Reflexion ist jedoch nur möglich, wenn der Betrachter des
Kunstwerkes es nicht ignoriert oder sich nicht von vornherein gegen seine
Anwesenheit sperrt. Er sollte offen sein für die Betrachtung - unabhängig
davon, ob er mit dem Kunstwerk (im Moment) "etwas anfangen" kann oder nicht.
Eine Analogie mag dies veranschaulichen. Schreibt ein Mathematiker beispielsweise
eine Gleichung auf, wird ein Nicht-Mathematiker in diesem Falle sicherlich
nicht von "Unsinn", "Was soll das?" o. ä. reden, höchstens meinen: Er verstehe
das nicht, was - wenn man ehrlich ist - eigentlich nur daran
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liegt, dass er die
mathematischen Regeln nicht gelernt oder wieder vergessen hat. Ähnlich verhält es sich auch mit der Kunst. Durch ständiges Üben in der
Betrachtung der Gegenstände wird man einen ihnen eingeschriebenen Sinn
erkennen. Natürlich steht einem dann immer noch das Recht zu, in Bezug auf die eigene Person zu entscheiden,
ob die mathematische Gleichung oder der Kunstgegenstand für einen selber von Bedeutung ist. Selbst wenn sie oder er das
nicht ist, sollte man aber doch unterstellen, dass es sicherlich Menschen gibt,
die "damit etwas anfangen" können und das tolerieren.
Was können nun die Skulpturen des Skulpturenwegs Rheinland-Pfalz zu einem neuen
Erleben von Kunst beitragen? Betrachten wir als Beispiel das "Tor" von Uwe
Kampf auf einer Anhöhe von Krickenbach. Es erhebt sich mächtig - wenn man davor
steht - aus einer herrlichen Landschaft mit Wiesen, Feldern, Wäldern und
Ortschaften. Es steht schief, trotzig und kantig in der lieblichen Landschaft -
welcher Gegensatz! Die Landschaft macht die Skulptur noch kantiger als sie schon
ist und die Skulptur verstärkt die Schönheit der Landschaft. Welche Ergänzung!
Dann das Material: Die Landschaft aus Erde und Pflanzen, das Tor aus
Stahlplatten - völlig unnatürlich!? Auch hier Gegensatz und gleichzeitig
Ergänzung. Das trifft auch für die Skulptur an sich zu, die aus einem geneigten
Tor und einem entgegen geneigten Quader besteht.
Viele Menschen stören sich an dem Rost auf Stahlskulpturen. Sie stört der Rost
weil er als Qualitätsmangel, wie z.B. beim Auto, wo es zu einer Durchrostung des
Bleches kommen kann, angesehen wird. Bei einer CORTEN Stahlskulptur ist das
aber nicht zutreffend, da die Blechdicke und das Material (CORTEN ist ein
wetterfester Feinkorn-Baustahl, dessen Rostschicht eine Korrosionsschutzschicht
für das darunter liegende Material bildet.) so gewählt wurde, dass eine
Durchrostung auch ohne farbige Korrosionsschutzschicht in überschaubaren
Zeiträumen ausgeschlossen ist. Nein, hier ist der Rost Teil eines gewünschten
künstlerischen Ausdrucks. Betrachtet man den Rost mit seiner
Oberflächenstruktur als "Farbe", so ist sie doch so schön wie das Braun frisch
gepflügter Erde. Das Element Eisen im Stahl strebt über den Rost wieder seinen
stabilen Zustand an, versinkt in der Erde, aus der es noch vor etwa 150 Jahren
ganz in der Nähe gewonnen wurde. Es deutet auch die Vergänglichkeit an, die -
langsam aber beständig - auch Materialien wie Bronze und Stein erfasst.
Wenn man sich diesem Erlebnis mit der ungewohnten Skulptur nicht durch Wegsehen
entzieht, wird man eine weitere Erfahrung machen: gewohnte Bilder, auch die in
der häuslichen Umgebung, werden in neuem Licht erscheinen. Man wird Neues in
ihnen entdecken und dies wiederum wird seinen Einfluss auf die Wirkung,
Ausstrahlung moderner Kunst nicht verfehlen.
Ist das Kunstobjekt nun auch Kunst? Das ist eine schwierige und eigentlich auch
wenig sinnvolle Frage. Viel wichtiger wäre es zu fragen: Was sagt mir das
Kunstwerk, zu welchen Gedanken führt es, welche Gefühle spricht es in mir an?
Oder einfach: Wie gefällt es mir? Die Antwort auf die Frage: Ist es ein
Kunstwerk oder nicht, ist letztlich sekundär. Sie gewinnt erst an Bedeutung,
wenn es zu einer Ware wird und sein Marktwert von Interesse ist. Dieser ergibt
sich in unserer Gesellschaft aber erst auf der Basis einer Verständigung von
Käufer und Verkäufer. Er wird steigen, wenn viele Interessenten das Kunstwerk
käuflich erwerben möchten. So gesehen, sind die Skulpturen des Skulpturenwegs
Rheinland-Pfalz derzeit zwar ohne Marktwert - sie sind unverkäuflich - und
trotzdem stellen sie eine - wie ich meine - wesentliche Bereicherung unserer
Kultur-Landschaft dar.
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