Verein Skulpturenweg Rheinland-Pfalz
         
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Vortrag von
Prof. Dieter Wüstenberg bei einem Symposion vom 5. Juni bis 9. Juli 2005 im Schweinstal, südlich von Kaiserslautern.


Moderne Skulptur - Versuch einer Rechtfertigung -

Kunst wird vom Menschen geschaffen. Sie ist damit künstlich - im Gegensatz zum Natürlichen. Sie ist das Ergebnis eines künstlerischen, gestalterischen Schaffens. Dabei versucht der Künstler, mit ihm gemäßen Mitteln Dinge zu gestalten, ihnen einen Ausdruck zu verleihen. Dieser Ausdruck entspringt einer Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst und/oder seiner Umgebung.

Für die Gestaltung eines bestimmten Ausdrucks verfügt der bildende Künstler über vielfältige Mittel. Material und Farbe stellen die wesentlichen Gestaltungsmittel dar. Bei der Auswahl wird der Künstler neben der zu gestaltenden Thematik innerhalb der Spannungsfelder von "zeitlos - aktuell", "beständig - vergänglich" usw. auch seine technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten berücksichtigen.

Der Künstler selbst erzeugt keine Kunstwerke - die Werke des Künstlers werden erst durch den Kunstmarkt zu "Kunst" erklärt oder auch nicht. Künstlerische Werke werden somit durch den jeweilig herrschenden Zeitgeist bewertet, aber auch umbewertet. Kunst hängt auch mit dem "Können" der Künstler zusammen: Inwieweit versteht es der Künstler, mit seinen gestalterischen (incl. der handwerklichen) Fähigkeiten seinem Werk einen besonderen, nachvollziehbaren Ausdruck - und damit einen Sinn - zu verleihen.

Kunst-Objekte wirken durch ihre Ausstrahlungskraft, d. h. durch sich selbst. Die räumliche Umgebung, das Umfeld kann ihre Wirkung auf den Betrachter fördern oder abschwächen. Besondere Aussagen können hervorgehoben oder aber zunichte gemacht werden. Die Beeinflussung des Kunstwerkes durch das Umfeld - aber auch umgekehrt - ist von großer Bedeutung für beide: Kunstwerk und Umgebung.

So ist es nicht verwunderlich, dass ein und dieselbe Skulptur im Museum auf einem Sockel, vor einem Gebäude, auf einem Platz, am Waldrand oder in einer offenen Landschaft eine ganz andere Wirkung auf den Betrachter ausübt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das Verhältnis von der Größe der Skulptur zum Umfeld und dem Abstand des Betrachters: Ein kleines Objekt kann von einem großräumigen Umfeld erdrückt werden und umgekehrt.

Wie erklärt sich ein Kunstwerk? Benötigt es eine Beschreibung durch den Künstler? Sicherlich ist eine solche für das Verständnis nützlich, wie auch die Kenntnis der Situation, in der das Kunstwerk entstand. Letztlich aber wirkt es in einer ureigenen Art auf den Betrachter, wie auch das Umfeld. Wenn der Betrachter will, kann es zu einem Dialog kommen - zu einer neuen Erkenntnis oder eine neuen Sichtweise von Dingen, die ihn umgeben oder beschäftigen. Gegensätze von schief und gerade, eben und krumm, einfach und komplex können angesprochen und entsprechend eigener Vorstellungen bewertet werden. Dabei spielt die momentane, persönliche Situation des Betrachters eine besondere Rolle.

Dieser Vorgang der Reflexion ist jedoch nur möglich, wenn der Betrachter des Kunstwerkes es nicht ignoriert oder sich nicht von vornherein gegen seine Anwesenheit sperrt. Er sollte offen sein für die Betrachtung - unabhängig davon, ob er mit dem Kunstwerk (im Moment) "etwas anfangen" kann oder nicht. Eine Analogie mag dies veranschaulichen. Schreibt ein Mathematiker beispielsweise eine Gleichung auf, wird ein Nicht-Mathematiker in diesem Falle sicherlich nicht von "Unsinn", "Was soll das?" o. ä. reden, höchstens meinen: Er verstehe das nicht, was - wenn man ehrlich
ist - eigentlich nur daran

 
liegt, dass er die mathematischen Regeln nicht gelernt oder wieder vergessen hat.
Ähnlich verhält es sich auch mit der Kunst. Durch ständiges Üben in der Betrachtung der Gegenstände wird man einen ihnen eingeschriebenen Sinn erkennen. Natürlich steht
einem dann immer noch das Recht zu, in Bezug auf die eigene Person zu entscheiden, ob die mathematische Gleichung oder der Kunstgegenstand für einen selber von Bedeutung ist. Selbst wenn sie oder er das nicht ist, sollte man aber doch unterstellen, dass es sicherlich Menschen gibt, die "damit etwas anfangen" können und das tolerieren.

Was können nun die Skulpturen des Skulpturenwegs Rheinland-Pfalz zu einem neuen Erleben von Kunst beitragen? Betrachten wir als Beispiel das "Tor" von Uwe Kampf auf einer Anhöhe von Krickenbach. Es erhebt sich mächtig - wenn man davor steht - aus einer herrlichen Landschaft mit Wiesen, Feldern, Wäldern und Ortschaften. Es steht schief, trotzig und kantig in der lieblichen Landschaft - welcher Gegensatz! Die Landschaft macht die Skulptur noch kantiger als sie schon ist und die Skulptur verstärkt die Schönheit der Landschaft. Welche Ergänzung! Dann das Material: Die Landschaft aus Erde und Pflanzen, das Tor aus Stahlplatten - völlig unnatürlich!? Auch hier Gegensatz und gleichzeitig Ergänzung. Das trifft auch für die Skulptur an sich zu, die aus einem geneigten Tor und einem entgegen geneigten Quader besteht.

Viele Menschen stören sich an dem Rost auf Stahlskulpturen. Sie stört der Rost weil er als Qualitätsmangel, wie z.B. beim Auto, wo es zu einer Durchrostung des Bleches kommen kann, angesehen wird. Bei einer CORTEN Stahlskulptur ist das aber nicht zutreffend, da die Blechdicke und das Material (CORTEN ist ein wetterfester Feinkorn-Baustahl, dessen Rostschicht eine Korrosionsschutzschicht für das darunter liegende Material bildet.) so gewählt wurde, dass eine Durchrostung auch ohne farbige Korrosionsschutzschicht in überschaubaren Zeiträumen ausgeschlossen ist. Nein, hier ist der Rost Teil eines gewünschten künstlerischen Ausdrucks. Betrachtet man den Rost mit seiner Oberflächenstruktur als "Farbe", so ist sie doch so schön wie das Braun frisch gepflügter Erde. Das Element Eisen im Stahl strebt über den Rost wieder seinen stabilen Zustand an, versinkt in der Erde, aus der es noch vor etwa 150 Jahren ganz in der Nähe gewonnen wurde. Es deutet auch die Vergänglichkeit an, die - langsam aber beständig - auch Materialien wie Bronze und Stein erfasst.

Wenn man sich diesem Erlebnis mit der ungewohnten Skulptur nicht durch Wegsehen entzieht, wird man eine weitere Erfahrung machen: gewohnte Bilder, auch die in der häuslichen Umgebung, werden in neuem Licht erscheinen. Man wird Neues in ihnen entdecken und dies wiederum wird seinen Einfluss auf die Wirkung, Ausstrahlung moderner Kunst nicht verfehlen.

Ist das Kunstobjekt nun auch Kunst? Das ist eine schwierige und eigentlich auch wenig sinnvolle Frage. Viel wichtiger wäre es zu fragen: Was sagt mir das Kunstwerk, zu welchen Gedanken führt es, welche Gefühle spricht es in mir an? Oder einfach: Wie gefällt es mir? Die Antwort auf die Frage: Ist es ein Kunstwerk oder nicht, ist letztlich sekundär. Sie gewinnt erst an Bedeutung, wenn es zu einer Ware wird und sein Marktwert von Interesse ist. Dieser ergibt sich in unserer Gesellschaft aber erst auf der Basis einer Verständigung von Käufer und Verkäufer. Er wird steigen, wenn viele Interessenten das Kunstwerk käuflich erwerben möchten. So gesehen, sind die Skulpturen des Skulpturenwegs Rheinland-Pfalz derzeit zwar ohne Marktwert - sie sind unverkäuflich - und trotzdem stellen sie eine - wie ich meine - wesentliche Bereicherung unserer Kultur-Landschaft dar.

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