Stein-Skulpturen Symposien

(Stone Sculpture Symposia) 

von Neal Barab
- mit freundlicher Erlaubnis -
Sculpture Magazine -
April 1998 Vol.17 No. 4






                         



Sculpture April 1998 Vol.17 No. 4
                                     Zurück


Ein Skulpturen Symposium lässt Bildhauerträume wahr werden: Durch die Welt reisen, hart arbeiten, gut essen, monumentale Skulpturen schaffen, respektvoll behandelt werden und abreisen mit Geld in der Tasche. Das Stein Symposium ist Kunst Vorführung. Nichts macht mehr Angst, als sich mit dem Hammer auf die Hand zu schlagen und die Menge schaut zu, und nichts ist befriedigender als das Gefühl einer positiven Rückmeldung eines Publikums, das man für uninteressiert oder sogar kunstfeindlich hielt. Ein Bildhauer Symposium kann folgendermaßen gekennzeichnet werden: Öffentlich werden von ausgewählten Künstlern in einer festgelegten Zeit Skulpturen geschaffen; die Skulpturen verbleiben meist beim Sponsor; die Bildhauer erhalten ein Honorar, Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung.

Steinbildhauer Symposien sind Ausdruck einer fast vergessenen Bewegung zeitgenössischer Kunst: nämlich die, des modellierenden Steinkünstlers, der moderne Werkzeuge mit traditionellen Techniken verbindet. Das Zentrum dieser Bewegung ist in den Steinbrüchen von Pietrasanta und Carrara in Italien. Symposien finden weltweit statt, oft mit Italienisch als gemeinsamer Sprache. Moderne Diamantschneider und pneumatische Werkzeuge haben das Arbeiten mit Stein verändert; oft kommen Bildhauer nach Italien um zügig arbeiten zu lernen. Sie besuchen Symposien um diese Erfahrung, die Fähigkeit anzuwenden, schnell das widerstrebende Material in ein Kunstwerk umzuformen.

Die Bildhauer Symposien entstanden 1959 durch die Initiative des Bildhauers Karl Prantl und anderer im Steinbruch von St. Margarethen in Österreich. Ihr Antrieb war, Stein in ganz erheblicher Größe bearbeiten zu können, etwas, was außerhalb der finanziellen Möglichkeiten der teilnehmenden Künstler lag. In der Folge fanden europaweit Symposien statt, vor allem in Carrara, in Israel, Ägypten, Japan und neuerdings in Taiwan, China und Süd Korea. Skandinavien hat eine lange Tradition in Granit Symposien, die USA fast gar nicht.

In den 70er Jahren war Rino Giannini der Organisator des ersten Symposiums in Carrara, als Professor der dortigen "Accademia di Belle arte". Er erinnert sich mit Grauen an die Massen, die von diesem ersten Symposium angezogen waren. Tausende von Gaffern waren täglich da und beobachteten wie 20 Bildhauer aus aller Welt auf Carraras zentralem Platz meißelten, unter den zerschnittenen, hoch aufragenden Wänden des Steinbruchs.

Viele Symposien werden von Bildhauern ins Leben gerufen um ihren Heimatländern kulturelle Impulse zu geben. Sie werden unterstützt von den jeweiligen Kommunen oder von Stein - Lieferanten. Kommunen wollen Touristenziele werden indem sie ein wiederkehrendes kulturelles Ereignis schaffen. Besucher und Einwohner kommen immer wieder um die Fortschritte der Skulpturen zu verfolgen, die Medien können von einem länger laufenden Ereignis berichten und der örtliche Steinbruch bekommt ebenfalls Reklame. Die Gemeinden erhalten große Skulpturen für einen relativ niedrigen Preis. Ein guter Teil der Verantwortung des Organisators liegt beim Einwerben von Spenden. Das Aufteilen der Unterstützung in der Gemeinde erweitet das Gefühl von Anteilnahme. Wenn etwa Restaurants bei der Versorgung der hungrigen Künstler mitmachen bekommen sie einen guten Eindruck von der Gemeinde und umgekehrt. Elisabeth Ekstrand brachte den schwedischen Werkzeughersteller Sandvik und den Hersteller von Sicherheitsausrüstung Sundstrom dazu, das Symposium zu unterstützen, das sie im Quarzit - Steinbruch im schwedischen Wasa Sten organisierte. Eine solche Sponsorenschaft schafft Markentreue unter den Bildhauern und Werbung für die Firmen.

Im belgischen Sprimont wird das Symposium von den örtlichen Steinwerken (schwarzer Granit) und dem Musée de la Pierre, dem Stein Museum unterstützt. Eines der erklärten Ziele ist, den Fokus weg zu lenken von der Umweltschädigung, mit der die Steinbrüche verknüpft werden und durch ein Bild zu ersetzen, in dem ihr Stein mit Kunst - Herstellung und kulturellen Ereignissen verbunden wird. In einem Steinbruch, der seit 1880 arbeitet, sind jährliche Symposien eine Manifestation lokalen Stolzes und Entstehen eines außergewöhnlichen Ereignisses, das jedoch schon fast Alltag geworden ist.

Ein erfolgreiches Symposium erfordert Anstrengung bei Künstlern und Organisatoren. Der Künstler muss persönliche Werkzeuge mitbringen und erkennen können, dass die Organisatoren gute Voraussetzungen schufen für alle technische und persönliche Erfordernisse. Dies umfasst Informationen zu Größe und Form der erforderlichen Steine, Vorbereitung des Zuschnitts, Beschaffung größerer Werkzeuge und Hebewerkzeug. Außerdem muss der Künstler das versprochene Werk rechtzeitig fertig haben und der Anspannung der vereinbarten deadlines gerecht werden. Er muss Verständnis aufbringen für die Unruhe der Organisatoren, die ihre Ausgaben für alle Einrichtungen und Aktionen rechtfertigen müssen.

Der Amerikaner John Fisher lebt in Pietrasanta. Er hat an vielen Symposien in Frankreich teilgenommen und begeisterte Scharen von Zuschauern durch das heraus Arbeiten einer Figur aus dem Stein. Er sagt: "... der erste Tag ist oft ein Chaos - die Künstler kommen, kriegen Zustände und beruhigen sich wieder." Häufige Probleme sind: unzureichende Stromanlagen, bei denen nicht alle gleichzeitig arbeiten können, zu schwache Druckluft Schläuche oder ein zu schwacher Kompressor. Unterkunft und Verpflegung müssen nicht luxuriös sein aber gut. Schlechte Unterbringung zeigt ein Fehlen von Achtung, den Künstler sofort bemerken. Die Schweizer Bildhauerin Jaya Schuerch sagt: "  es ist schwer, Dein Bestes für Leute zu geben, die Dich nicht respektieren." Fisher ergänzt, dass " minimale


Erfordernisse sind ein eigenes Zimmer mit einer guten Dusche. Schließlich hinterlasse ich eine Skulptur, die viel mehr wert ist als mein Honorar. Die Organisatoren müssen dem Bildhauer einen Raum überlassen, in dem er nach einem langen Arbeitstag ausruhen und sich waschen kann." Zoé de L'Isle Whittier ist von Paris um die ganze Welt gereist um an Symposien teil zu nehmen. Sie sagt klar und deutlich: Wir sind keine Pfadfinder im Lager, wir arbeiten hart, in der Öffentlichkeit, und erwarten dafür auch gut behandelt zu werden."

Tatsächlich variieren die Gagen und Zuwendungen sehr stark. So sind Symposien in China bekannt für ihr reichliches und schmackhaftes Essen und die Gelegenheit mit Hilfskräften zu arbeiten. So kann ein recht großes Werk in kurzer Zeit entstehen. Das alljährliche Symposium in Seravezza bei Pietrasanta stellt nur einen Steinblock zur Verfügung, einen Arbeitsplatz und ein Mittagessen. Die fertige Arbeit ist Eigentum des Bildhauers. Im Gegensatz dazu wurden beim 1. Symposium in Hualien/Taiwan im Frühjahr 1997 Flugkosten, 1. Klasse Unterbringung und $ 7,000 an jeden Künstler bezahlt für die 4-wöchige Teilnahme und die fertige Skulptur.

Die Teilnehmer können vom Organisator eingeladen oder von einer Jury ausgesucht sein. Der Quebecer Künstler Pascal Arch beklagt sich über Symposien, die bei der Bewerbung Modelle verlangen, oft ohne Aufwandsentschädigung, selbst die Rücksendung an den Künstler geht auf dessen Kosten. Er sagt: "Werk-Entwürfe und Dias von vorhandenen Werken sollten hinreichende Information sein um eine fähige Künstlergruppe auszuwählen."
Künstler sind der einer Meinung in ihrem Missfallen zu Wettbewerben oder Geldpreisen für Sieger. Schuerch sagt "Preise sind schädlich für die Arbeit, sie schaffen böses Blut. Um Skulpturen zu machen braucht man die Arbeit in einer kollegialen Umgebung. Wird das Geld unter den Teilnehmern aufgeteilt erhält man gute Skulpturen und glückliche Leute." Fisher spricht für viele wenn er meint: " ... "Themen" sind ein Witz. Die Künstler machen trotzdem was sie wollen und bringen es dann in einen Zusammenhang zum Thema."

Die Publikumsreaktion ist sehr wichtig für Künstler, die gewöhnlich alleine in ihren Ateliers arbeiten. Dazu meint Whittier: "Die Skulpturen bedeuten den Leuten mehr als das, was eine Kommission in jemandes Atelier feststellt [ ... ]. Etliche haben erst einen Widerwillen gegen öffentliche Kunst, sie meinen diese sei ihnen übergestülpt worden und sie wissen nicht von wem. Bei einem Symposium stellen sie Fragen, und schauen von allen Seiten. Für die Bildhauer entstehen kleine Fan Clubs, die ihre Arbeit verfolgen. Sie ermutigen uns, sie nehmen teil, sie bringen uns Hochachtung für unsere harte Arbeit entgegen." Schuerch sagt: "Die Leute beobachten die gesamte Entwicklung und sind begeistert. Es ist schön ihre Begeisterung zu teilen. Es erinnert uns an die Magie, die Kunst darstellt. Kunst ist kein Objekt, es ist ein Augenblick des Kontakts wenn jemand dein Werk ansieht und davon berührt ist. Die Symposien öffnen die Menschen für Kunst." Das Arbeiten in der Öffentlichkeit über einen begrenzten Zeitraum kann Herausforderung und Inspiration sein. Allan Farr warnt: "Beim Symposium geht es um Arbeit; lang, hart, staubig und brutal." Aber Schuerch fügt hinzu: "Zu wissen, dass man nur wenig Zeit hat ändert das, was man macht. Ich muss mich selbst anstacheln. Es gibt mir Kreativität." Fisher arbeitet figurativ, gestaltet sehr direkt, ohne Modell oder vorher konzipierte Idee, von dem was er machen will. Er meint: "Ich teile meine Kräfte ein. Bei einem 10-tägigen Symposium dient der erste Tag dazu den Block grob zu gestalten. Indem ich etwa 1/3 entferne komme ich zu seinem Kern. Am zweiten und dritten Tag wird die grobe Gestaltung weiter geführt und nach den figurativen Möglichkeiten gesucht. Am Tag vier und fünf entwickelt sich ein klareres Bild. Die Tage sechs bis acht lassen dieses Bild schärfer werden und die Komposition ist vollendet. Die letzten beiden Tage sind für Verbesserungen, Feinarbeiten, Oberflächenstruktur und dem letzten Schliff."
Bildhauer, die nach mitgebrachten Modellen arbeiten, haben einen Vorsprung von etwa zwei Tagen und können sofort damit los legen, ihre Vorstellung auf den Block zu bringen. Einige Symposien verlangen schon bei der Bewerbung Modelle und Zeichnungen, eine Erschwernis für die, die lieber nach Eingebung vom Stein und der Örtlichkeit arbeiten. Whittier meint: "Ich war sehr stark beeindruckt von der norwegischen Umgebung, der uralten Kunst und den dort befindlichen Stein Monumenten. Dies bestimmte, was ich beim Symposium Norge machte und der Einfluss auf meine Arbeit hält bis heute an." Tatsächlich geschieht es manchmal, dass Symposiums Teilnehmer länger bleiben, sich verlieben in das Material oder den Ort. Der japanische Bildhauer Takashi Naraha wurde 1980 vom schwarzen Diabas in Südschweden so fasziniert [ ... ], dass er seither dort lebt.

Die Erfahrung eines Symposiums oder einer Umgebung veranlasst Künstler auch oft zu neuen Veranstaltungen. Elisabeth Ekstrand organisierte ein Symposium im Wasa Sten Quarzit Steinbruch im schwedischen Dalarna 1995 und 1997 nachdem sie dort vorher schon mit Porphyr gearbeitet hatte, den man wegen seiner Härte auch "schwedischen Diamant" nennt. Der chinesische Bildhauer Wei Xiao Ming organisierte 1996 ein Symposium in Tianjins neuem Industrie- und Technologiegebiet.

Die Bedeutung der Symposien fasst Rino Giannini zusammen: "Wenn Menschen sehen, wie aus einem Stein ein Monument entsteht, dann geht Skulptur ins allgemeine Bewusstsein ein. Die Menschen fangen an zu verstehen, vielleicht zum ersten Mal, was Skulptur ist."

Neal Barab ist Steinbildhauer und häufiger Teilnehmer bei Skulpturen-Symposien.