Barry Gewen

"Kunst und Kritik - Ein Lagebericht"

Aus: Merkur -
Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken
Nr. 685, Mai 2006
Verlag: Klett-Cotta, Stuttgart
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Aus dem Englischen von Siegfried Kohlhammer

[...] Wir leben in einer Zeit, in der die Künstler Kinderfragen stellen - Was ist Kunst? Wozu ist sie gut? -, und die Kritiker haben darauf meistens so geantwortet, daß nicht einmal ein Erwachsener sie versteht. »Mutti, sind wir den ganzen Weg hierhergefahren, bloß um uns Bilder von Suppendosen anzugucken?« »Das sind Andy Warhols, Herzchen, und er bedient sich eines geschliffenen heuristischen Instrumentariums, um die Bruchlinien signifikanter Verschiebungen und die sedimentierten Facetten seines Kairos zu erkunden und offenzulegen.«

Vor allem aber haben die Kritiker aufgegeben, Kritiker zu sein: so der Kunstkritiker James Elkins in seinem schmalen, aber aus vollem Herzen polemischen Buch What Happened to Art Criticism?. Sie sind Experten darin, die neuen Werke zu beschreiben und zu evozieren, sie in ihren historischen Kontext zu stellen sowie stilistische und theoretische Verbindungen zwischen den Künstlern herzustellen. Aber von einigen wenigen abgesehen urteilen sie nicht. Eine 2002 unter 230 Kunstkritikern durchgeführte Umfrage der Columbia University stellte fest, daß Wertungen ganz unten auf ihrer Prioritätenliste standen. Elkins nennt diesen Rückzug von einem Urteil »eine der bedeutsamsten Veränderungen in der Kunstwelt im vorigen Jahrhundert«, und damit seien die Kritiker »stimmlos«, »geisterhaft«, »ruderlos«. Die Kunstkritik befinde sich »in einer weltweiten Krise«.

Ein Kritiker steht im Mittelpunkt dieser »weltweiten Krise«: Clement Greenberg ahnte, daß es ein Anything-goes-Problem gab, lange bevor das Stadium der geköpften Hühner erreicht worden war, und er verbrachte sein Berufsleben mit dem Versuch, zentrale ästhetische Werte zu formulieren. Er scheiterte damit. Aber sein Scheitern war ein mutiges und bedeutsames Scheitern. Er wird weithin und zu Recht als der wichtigste amerikanische Kunstkritiker seit dem Zweiten Weltkrieg betrachtet. Greenberg war der erste Förderer Jackson Pollocks, und das hieß, daß er viel Erklärungsarbeit zu leisten hatte. Natürlich hatte es schon vor Pollock abstrakte Maler gegeben - Kandinsky, Malewitsch, Mondrian -, aber die zogen einen Schwarm von Theorie hinter sich her. Pollock erklärte seine Arbeit nicht; er malte nur. Er brauchte einen verständnisvollen Kritiker, er brauchte Greenberg - vor allem nachdem seine Tropftechnik berühmt wurde und sich die ersten Anzeichen der Anything-goes-Mentalität bemerkbar machten. [...]

Der vollständige Text ist im Web leider nicht mehr verfügbar (Stand 9.10.2006) Zurück