Kunst im öffentlichen Raum - Art in Public Space                                               Zurück

 


Peter Lenk -

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Lenk

 

 


sueddeutsche.de - 12.05.2009
                                        
 von Christian Mayer


Kolossale Weiblichkeit



Was die Wirkung angeht, so muss man nüchtern feststellen: Je größer der Busen und je nackter der Prominente, desto gewaltiger die Aufregung. Lenks Methode ist das Gegenteil von Abstraktion, es ist die pure Plastizität, die er mit schauspielerischem Talent zur Geltung bringt. Allein die Aufstellung der "Imperia" an der Konstanzer Uferpromenade 1993 war ein Bubenstück, das die Stadt wochenlang in Atem hielt. Zwölf Meter misst die üppige Figur einer mittelalterlichen Kurtisane, die in ihren Armen die weltliche und die geistliche Macht trägt; 18 Tonnen wiegt das Monsterweib, das Peter Lenk in einer Nacht- und Nebelaktion mit Hilfe der benachbarten Schweizer auf den Pegelturm im Konstanzer Hafen hieven ließ.

Hofnarr ohne Hof

Zwar gab es einen Aufschrei der Empörung, denn die Lokalpolitiker fühlten sich überfahren von so viel kolossaler Weiblichkeit. Doch die "Imperia" thront noch immer über der Hafeneinfahrt und ist zum Wahrzeichen der Stadt geworden. Die Großplastik war für Lenk auch eine künstlerische Herausforderung: Immer wieder feilte er an den Rundungen, bis sie endlich die ideale Form besaß - eine klobige Schönheit mit zu dicken Beinen hätten ihm die Konstanzer wohl nie verziehen. "Den Hals habe ich ihr doppelt so lang gemacht, damit er aus der Höhe überhaupt zur Geltung kommt - sonst hätte sie ja ausgesehen wie die Bavaria in München." Der Bildhauer, der von sich sagt, er sei ein Hofnarr, nur ohne Hof, arbeitet gerne mit den Mitteln der sanften Übertreibung, um seine Figuren lebendig zu machen: "Wenn man Menschen vollkommen realistisch darstellt, kann man sie gar nicht erkennen." Der Narr hält seinem Publikum einen Spiegel vor - dann sieht es sich selbst in seiner unverhüllten Selbstzufriedenheit. Als Rudolf Scharping Verteidigungsminister war, stellte ihn Lenk auf einem Sparkassengelände in Stockach auf ein ausgedientes U-Boot. In der Hose des Ministers, der sich auf Mallorca im Swimmingpool beim Liebesspiel verausgabt hatte, deutete sich eine männliche Wölbung an. Ein Marinesoldat aus der heldenhaften Scharping-Truppe trug obendrein eine kurvenreiche Gespielin auf den Schultern - "Make Love and War" lautete der Marschbefehl. Auch diese Frivolität stieß auf geteilte Reaktionen und trug dazu bei, dass die öffentlichen Auftraggeber noch ein wenig misstrauischer geworden sind, wenn der Name Lenk fällt.

 


Es soll Leute geben, die den Narren vom Bodensee meiden, aus Sorge, später in einem seiner Werke aufzutauchen.
Der Schriftsteller Martin Walser war über eine von Lenk unerbetene Skulptur in Überlingen so erbost, dass er angeblich sogar den Friseur wechselte, weil er auf dem Weg dorthin an seiner Statue vorbei musste. Walser fand sein Ebenbild wohl nicht erhaben genug. Obwohl er als Dichterfürst hoch zu Ross noch gnädig davongekommen ist, wenn nicht gerade die Möwen auf ihm landen.



In der humorfreien Zone

"Der macht net bloß Hundle", hatte einst eine Gemeinderätin in Konstanz gewarnt, als der Bildhauer ein paar "lustige Kunst-Figuren" angekündigt hatte. Es waren dann keine Vierbeiner, die den "Laube-Brunnen" bewässerten, sondern eine tonnenschwere Matrone im Bikini, ein spuckender Motorrad-Rocker sowie ein großspuriger Automanager aus Stuttgart, der sofort seine großzügige Spende für das Werk zurückziehen wollte - zu spät. Immer wieder erweisen sich seine Leiber als äußerst standfest. Nicht einmal die Expo-Chefs schafften es vor neun Jahren, die heimlich aufgestellte "Alte Nixe" aus der Messehalle in Hannover zu entfernen, denn Lenks Beitrag zum Gewässerschutz zählte zu den meistbesuchten Attraktionen der weithin humorfreien Weltausstellung.

Seine künstlerische Freiheit will er sich nicht nehmen lassen, deshalb meidet er öffentliche Wettbewerbe und Museen. Der Bildhauer möchte dazu beitragen, dass die Menschen "das Leben als Komödie ertragen", wie der von ihm geschätzte Friedrich Dürrenmatt geschrieben hat. Für die Freiheit seiner steinernen Spielgefährten nimmt er einiges in Kauf: Lenk, der früher als Kunstlehrer arbeitete, hat bis heute nicht einmal eine Galerie, die ihn vertritt; lange Zeit musste seine ebenso ansehnliche wie praktisch veranlagte Ehefrau die Familie mit den zwei Töchtern über Wasser halten, indem sie Selbstgetöpfertes auf Märkten verkaufte.
Die eigene Unzulänglichkeit lässt er allerdings lieber aus dem Spiel. Das Selbstbildnis fehlt in seiner satirischen Sammlung. Anders als viele Kollegen verzichtet er auch auf die große Pose. "Es ist peinlich, wenn der Künstler vor seinem Werk steht und auch noch mit dem Finger drauf zeigt." Überhaupt, die meisten Künstler seien viel zu sehr mit ihrer Selbstvermarktung beschäftigt. Deshalb meide er Kunstmessen, auf denen sich die Teilnehmer selbst wie lebende Skulpturen inszenierten. Seine Figuren haben den Vorteil, dass sie auch dann jung bleiben, wenn sie alt wirken. Und dass die Körper und Köpfe, die er in Bodman anfertigt, dermaßen unmodisch sind, dass sie spielend noch ein paar Kunstmarkt-Wellen überdauern.

Fotos: © ehauff 03/2003                            
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