Kolossale Weiblichkeit

Was
die Wirkung angeht, so muss man nüchtern feststellen: Je größer der Busen und
je nackter der Prominente, desto gewaltiger die Aufregung. Lenks Methode ist
das Gegenteil von Abstraktion, es ist die pure Plastizität, die er mit
schauspielerischem Talent zur Geltung bringt. Allein die Aufstellung der
"Imperia" an der Konstanzer Uferpromenade 1993 war ein Bubenstück, das
die Stadt wochenlang in Atem hielt. Zwölf Meter misst die üppige Figur einer
mittelalterlichen Kurtisane, die in ihren Armen die weltliche und die
geistliche Macht trägt; 18 Tonnen wiegt das Monsterweib, das Peter Lenk in
einer Nacht- und Nebelaktion mit Hilfe der benachbarten Schweizer auf den
Pegelturm im Konstanzer Hafen hieven ließ.
Hofnarr ohne Hof
Zwar
gab es einen Aufschrei der Empörung, denn die Lokalpolitiker fühlten sich
überfahren von so viel kolossaler Weiblichkeit. Doch die "Imperia"
thront noch immer über der Hafeneinfahrt und ist zum Wahrzeichen der Stadt
geworden. Die Großplastik war für Lenk auch eine künstlerische Herausforderung:
Immer wieder feilte er an den Rundungen, bis sie endlich die ideale Form besaß
- eine klobige Schönheit mit zu dicken Beinen hätten ihm die Konstanzer wohl
nie verziehen. "Den Hals habe ich ihr doppelt so lang gemacht, damit er
aus der Höhe überhaupt zur Geltung kommt - sonst hätte sie ja ausgesehen wie
die Bavaria in München."
Der Bildhauer, der von sich sagt, er sei ein Hofnarr, nur ohne Hof, arbeitet
gerne mit den Mitteln der sanften Übertreibung, um seine Figuren lebendig zu
machen: "Wenn man Menschen vollkommen realistisch darstellt, kann man sie
gar nicht erkennen." Der Narr hält seinem Publikum einen Spiegel vor - dann
sieht es sich selbst in seiner unverhüllten Selbstzufriedenheit. Als Rudolf
Scharping Verteidigungsminister war, stellte ihn Lenk auf einem Sparkassengelände in Stockach auf ein ausgedientes U-Boot. In der Hose des
Ministers, der sich auf Mallorca im Swimmingpool beim Liebesspiel verausgabt
hatte, deutete sich eine männliche Wölbung an. Ein Marinesoldat aus der
heldenhaften Scharping-Truppe trug obendrein eine kurvenreiche Gespielin auf
den Schultern - "Make Love and War" lautete der Marschbefehl. Auch diese
Frivolität stieß auf geteilte Reaktionen und trug dazu bei, dass die
öffentlichen Auftraggeber noch ein wenig misstrauischer geworden sind, wenn der
Name Lenk fällt.
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Es soll Leute geben, die den Narren vom Bodensee meiden, aus Sorge, später in
einem seiner Werke aufzutauchen. Der Schriftsteller Martin Walser war über eine
von Lenk unerbetene Skulptur in Überlingen so erbost, dass er angeblich sogar
den Friseur wechselte, weil er auf dem Weg dorthin an seiner Statue vorbei
musste. Walser fand sein Ebenbild wohl nicht erhaben genug. Obwohl er als
Dichterfürst hoch zu Ross noch gnädig davongekommen ist, wenn nicht gerade die
Möwen auf ihm landen.

In der humorfreien Zone
"Der
macht net bloß Hundle", hatte einst eine Gemeinderätin in Konstanz
gewarnt, als der Bildhauer ein paar "lustige Kunst-Figuren"
angekündigt hatte. Es waren dann keine Vierbeiner, die den
"Laube-Brunnen" bewässerten, sondern eine tonnenschwere Matrone im
Bikini, ein spuckender Motorrad-Rocker sowie ein großspuriger Automanager aus
Stuttgart, der sofort seine großzügige Spende für das Werk zurückziehen wollte
- zu spät. Immer wieder erweisen sich seine Leiber als äußerst standfest. Nicht
einmal die Expo-Chefs schafften es vor neun Jahren, die heimlich aufgestellte
"Alte Nixe" aus der Messehalle in Hannover zu entfernen, denn Lenks
Beitrag zum Gewässerschutz zählte zu den meistbesuchten Attraktionen der
weithin humorfreien Weltausstellung.
Seine
künstlerische Freiheit will er sich nicht nehmen
lassen, deshalb meidet er öffentliche Wettbewerbe
und Museen. Der Bildhauer möchte dazu beitragen,
dass die Menschen "das Leben als Komödie ertragen",
wie der von ihm geschätzte Friedrich Dürrenmatt
geschrieben hat. Für die Freiheit seiner steinernen
Spielgefährten nimmt er einiges in Kauf: Lenk,
der früher als Kunstlehrer arbeitete, hat bis heute
nicht einmal eine Galerie, die ihn vertritt; lange Zeit
musste seine ebenso ansehnliche wie praktisch veranlagte
Ehefrau die Familie mit den zwei Töchtern über
Wasser halten, indem sie Selbstgetöpfertes auf
Märkten verkaufte. Die eigene Unzulänglichkeit
lässt er allerdings lieber aus dem Spiel. Das Selbstbildnis
fehlt in seiner satirischen Sammlung. Anders als viele
Kollegen verzichtet er auch auf die große Pose.
"Es ist peinlich, wenn der Künstler vor seinem
Werk steht und auch noch mit dem Finger drauf zeigt."
Überhaupt, die meisten Künstler seien viel
zu sehr mit ihrer Selbstvermarktung beschäftigt.
Deshalb meide er Kunstmessen, auf denen sich die Teilnehmer
selbst wie lebende Skulpturen inszenierten. Seine Figuren
haben den Vorteil, dass sie auch dann jung bleiben,
wenn sie alt wirken. Und dass die Körper und Köpfe,
die er in Bodman anfertigt, dermaßen unmodisch
sind, dass sie spielend noch ein paar Kunstmarkt-Wellen
überdauern.
Fotos:
© ehauff 03/2003
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