Welt-Online 17. Sept. 2007
Tomi Ungerer baut Plochingen ein Örtchen
Der Künstler, Karikaturist und Kinderbuchautor Tomi Ungerer
hat ein von ihm gestaltetes öffentliches Toilettenhäuschen an die Stadt Plochingen
(Baden-Württemberg) übergeben. An Wänden des grünen Klo-Häuschens sind
Fabelwesen zu sehen. Das Dach bildet ein Zierfries aus rosafarbenen
Toilettensitzen. Das stille Örtchen
steht in Sichtweite des Hundertwasser-Turms, aber auch vor der kleinen
Dorfkirche. Nicht nur deshalb war der erste Entwurf des Künstlers im November
2006 auf Kritik gestoßen. Ungerer überarbeitete daraufhin seinen
Entwurf.
Der 75-Jährige
hatte zuerst einen schlichten Baukörper geplant, mit Fröschen auf den
Seitenwänden und einem Kuppeldach in Form eines großen, rosaroten Hinterteils.
Doch einige muslimische Bürger fühlten sich dadurch in ihren religiösen
Gefühlen verletzt. Das Häuschen erinnere "an eine Moschee mit Kuppel oder
ein Mausoleum für verstorbene muslimische Heilige", hieß es. Ungerer
wollte jedoch - wie er sagte - niemanden verletzen. Seine ursprüngliche Idee
sei zwar besser gewesen, aber "hätte ich realisiert, dass das Klo direkt
vor der Kirche steht, hätte ich gezögert, den Arsch direkt davor zu
stellen." dpa
Stuttgarter Nachrichten
15.09.2007 - aktualisiert:
15.09.2007 15:57 Uhr
Plochingen
Ein stilles Örtchen von Tomi Ungerer
Der Künstler und Karikaturist Tomi Ungerer steht am Samstag in
Plochingen lachend vor einem von ihm gestalteten Toilettenhäuschen, das zuvor
feierlich eröffnet wurde.
Foto: dpa
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Neues Klo in der Stadtmitte - Entwürfe nach Kritik überarbeitet
Plochingen - Verhüllt von einem grellen,
pinkfarbenen Tuch stand es da. Die Spannung stieg, die Musikkapelle spielte
eisern. Mehrere hundert Schaulustige hatten sich auf dem Marktplatz versammelt,
um endlich einen Blick darauf zu werfen. Der Anlass für die ganze Aufregung war
jedoch ziemlich profan: Plochingen bekam eine öffentliche Toilette. Doch keine
von der Stange. Das schwäbische Städtchen hatte extra den elsässischen Künstler
und Karikaturisten Tomi Ungerer engagiert, ein ganz besonderes Klo für die
Stadtmitte zu gestalten. Der erste Entwurf des Künstlers für das stille Örtchen
stieß jedoch auf herbe Kritik in der 14 000-Seelen-Gemeinde. Eine neue Idee
musste her.
Am Samstag hob sich der Vorhang dann endlich im Kreis Esslingen. Zum Vorschein
kam ein dunkelgrüner Würfel mit gemalten Fabelwesen auf den Wänden, schmalen
Wasserbecken am Boden und einem Zierfries aus rosafarbenen Toilettensitzen.
Ungerer präsentiert damit nach den Worten von Bürgermeister Eugen Beck eine
"märchenhafte, kindliche Facette seiner Kunst". In einer humorigen
Rede zeigte sich der Bürgermeister stolz, neben dem Hundertwasser-Haus nun auch
noch einen echten Tomi Ungerer "inmitten unserer Stadt" zu haben. Das
habe nicht jeder. Der Jubel war groß, die Freude auch. Doch bis es soweit kommen konnte,
gab es lange Diskussionen. Die Stadt hatte Ungerer bereits im Jahr 2005
beauftragt, eine Toilette für die Innenstadt zu entwerfen. Der 75-jährige
Künstler plante zunächst einen weißen Bau mit Fröschen auf den Seitenwänden und
einem Kuppeldach in Form eines großen, rosaroten Hinterteils. "Übung macht
den Meister" sollte über der Tür des Kunst-Klos stehen. Einige muslimische
Bürger fühlten sich dadurch jedoch in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Das
Häuschen erinnere "an eine Moschee mit Kuppel oder ein Mausoleum für
verstorbene muslimische Heilige", wie in einem Leserbrief an eine lokale
Zeitung zu lesen war. Außerdem steht das Klo nicht nur in Sichtweite des
Hundertwasser-Turms, sondern auch direkt vor der kleinen Kirche.
"Das hat das Dorf gespalten", meinte eine Anwohnerin. Aber immerhin
wäre der ursprünglich geplante Po ein echter "Hingucker" gewesen.
Wenn man schon so viel Geld ausgebe, dann hätte es auch etwas Besonderes sein
müssen. Wie viel das neue stille Örtchen nun genau gekostet hat, will
Bürgermeister Beck nicht verraten. Etwa 80 000 Euro habe die Stadt bezahlt, das
seien zehn Prozent mehr als ein normales Toilettenhäuschen koste. Alles Weitere
sei von Sponsoren getragen worden, sagte Beck. Der Künstler war trotz starker
Rückenschmerzen extra angereist, um den Plochingern "viel Spaß bei ihren
neuen Sitzungen" zu wünschen.
Auch andere Plochinger hätten lieber den ersten, etwas gewagten Entwurf
behalten. Heidemarie Kuligovsky sitzt im Kulturausschuss der Stadt und war von
Anfang an von der Idee begeistert: "Mir tut es sehr leid, dass der erste
Entwurf schlecht gemacht wurde. Ich fand ihn genial." Auch der aus
Plochingen stammende Wolfgang Beck hätte das Popo-Klo besser gefunden:
"Ich finde es bedenklich, dass eine kleine Gruppe solch massiven Druck
ausüben kann und sich so gegen die Mehrheit durchsetzt."
Ungerer selbst wollte jedoch niemanden verletzen, sondern nur seinen Spaß
haben. Er selbst sei ein "spiritueller Mensch" und habe großen
Respekt vor allen Religionen. Der Künstler sagte, seine ursprüngliche Idee der
"Arschitektur" sei zwar besser gewesen, aber "hätte ich
realisiert, dass das Klo direkt vor der Kirche steht, hätte ich gezögert, den
Arsch direkt davor zu stellen."
dpa/lsw
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