Beuys sagte 1983 ganz allgemein zu Kunst: „Weder durch legales noch durch illegales Hervorbringen von Kunstwerken entsteht der Gesellschaft oder dem
Einzelnen Schädigung. Hingegen bedeutet deren willentliche Vernichtung Unterdrückung
von Möglichkeiten zur Bewusstseinsbildung.“
So optimistisch wie damals Beuys und (heute noch?) Olaf Metzel und Raimund
Kummer, denken nur Wenige. Der Traum von Gesellschaftsveränderung durch
künstlerische Eingriffe in den Stadtraum scheint weitgehend
ausgeträumt.
Die Intention der Street Art und bedingt auch der Grafitti ist deskriptiv -
nicht pädagogisch.
Graffiti ist ein Sammelbegriff für Bilder oder Schriftzüge, die ohne Wissen des
Besitzers angebracht sind. Der Übergang von Kunst zu Schmiererei ist fließend.
Deshalb werden sie oft pauschal als Beschädigung, als Vandalismus gesehen.
Beliebt sind Graffiti an Häusern, Mauerwänden im Gleisbereich oder an Brücken.
Versteht
man unter Graffiti nur schlichte Kritzeleien ohne jede erkennbare künstlerische
Absicht, ist der Vorwurf der Sachbeschädigung sicher berechtigt.
Zunehmend gibt es Graffiti, in denen Künstler, Sprayer oder Schulklassen
öffentliche Flächen und Gebäude "schmücken" - mit dem Einverständnis
von Kommunen oder privaten Eigentümern. Das ist oft nur (gefällige) Wandmalerei.
Deshalb scheint ein anderer Begriff besser geeignet: Street Art. Hier wollen
Künstler auch aktuelle politische Inhalte und gesellschaftskritische Themen
kommentieren oder ein persönliches Lebensgefühl ausdrücken.
Berlin wird die deutsche "Hauptstadt der Graffiti" genannt. Nirgendwo
in Deutschland können Sie so unterschiedliche und interessante Werke sehen.
Berühmt ist die East Side Gallery in Berlin-Friedrichshain. Dort bemalten im
Frühjahr 1990 über 100 Künstler ein Stück der Mauer beim Ostbahnhof und
beschrieben die politischen Veränderungen der Jahre |
1989/90. Jetzt ist eine
Restaurierung geplant. Dazu meint ein Berliner Street Art Freund und sehr aktiver Kunstflaneur: „ …
Die East Side Gallery wird jetzt restauriert. Ich finde das furchtbar. Das
Gefühl, das damals die Künstler zu ihren Werken anspornte, kann nicht
restauriert werden. Würden die Künstler heute über den Mauerfall reflektieren,
würden ganz andere Bilder entstehen. Damals ohne Geld euphorisch im
Eigenauftrag entstanden, sind die restaurierten (oder sogar neu geschaffenen)
Werke ein müder Abklatsch gegen Bares. ...“
Aktuell sind in Berlin geklebte Papierarbeiten. Die Papergirls sind unterwegs,
als eine weitere Variante der Street Art.
Der "Hochkunst" geben all die neuen Motive und Bildsprachen erfrischende Impulse.
Eine Wissenschaft für sich sind die verschiedenen Techniken, - Style Writing,
Scretching, Stencil/Pochoir usw. -, ihre Varianten und Überschneidungen. Für
diese Betrachtung haben sie hier keine Bedeutung. Entscheidend sein sollen nur ihre
künstlerischen Wirkungen, die wir im Alltag treffen können.
Längst ist Street Art, oder Urban Art, wie sie auch genannt wird, eine
komplexe und interessante Kunstrichtung für Sammlungen, Galerien und den Kunstmarkt. So
können etwa ihre Graffiti Wünsche direkt als Auftrag vermittelt werde.
Zudem ist Graffiti zum Stoff für breite akademische Untersuchungen und
Literatur geworden.
(Alle
Bilder der Fotoserie sind aus Türschmanns
"Urban Art" in Berlin, einer Sammlung mit mehr als 250
Bildern.)
Web-Links:
www.graffitimuseum.at/ www.graffitieuropa.org/ http://graffitiauftrag.eu/
Eberhard
Hauff
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