Jan de Weryha-Wysoczañski, "Offenbarungen in
Holz" Museum für Gegenwartsskulptur, Zentrum für Polnische Skulptur in Oroñsko
Jan de
Weryha-Wysoczañski ist ein Künstler großer Räume.
Den Innenraum misst er mit Schritten auf der Suche nach Spannungen, nach dem
Begreifen der Eigenschaften; seine Ablesung inauguriert einen Prozess
eigenen Zehmens, Verarbeitens. Er führt unwahrscheinlich geheimnisvolle,
meditative Holzobjekte ein, die raue Schönheit und rohe Technik ausstrahlen,
Ergebnisse monatelangen Ringens im Hamburger Atelier. Weiter gestaltet er
ephemere Zonen, die den Raum mildern und die dem Ort innewohnen - gegenwärtig
den neunhundert Meter Raum des Museums der Gegenwartsskulptur im Zentrum für
Polnische Skulptur. Offenbarungen in Holz, sowie frühere
Präsentationen von Jan de Weryha-Wysoczañski hat man als künstlerisches
Ereignis gefeiert - als eine der schönsten und ergreifendsten
Skulpturenausstellungen der letzten Zeit befunden.
Der Kontakt mit diesen aufrichtigen Versuchen die Naturgeheimnisse zu
definieren, eröffnet Prozesse persönlicher Epiphanien oder eines
Pantheismus geradezu und obwohl jegliche erzählerische Träger fehlen,
provoziert er eine intellektuelle Polemik der großen Phänomene der
Gegenwartskultur und -Kunst.
Das Flimmern der Hölzernen Tafel
[2002] erzeugen Teilchen rechteckiger Gestalt. Nur die obere Haut - Fragment
der Holzrinde, entgeht der Geometrie. Das was scheinbar ein der Natur entnommenes
Element ist - ist seine Dekonstruktion und Simulation, die durch Segmentierung
hölzerner Pixel erreicht wurde. Hölzerne Säule [2003] - ein in
seinen Proportionen massiver Zylinder, dick wie eine alte Eiche, flößt den
Respekt eines scheinbaren Kultobjektes ein. Es bedeckt ihn in vertikaler
Ausrichtung eine Vielzahl rechteckiger Mikrofragmente aus Rinde - die
ihre Struktur imitieren.
»Indem man Verbindungen matriziert und dekodiert, umstößt man die für die
transzendentale Erinnerung und die
Kultur (...) im Sinne einer gattungshaften Unterscheidbarkeit/einer
Beständigkeit dessen was ist... «
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Die subkutane Reflexion über die
virnotwendige Regel der "Negation der Arbeit" (...)
umstößt man die Arbeit der biologischen Evolution (...) die Naturtuelle Realität macht schnell einem geradezu therapeutischen Versinken ins
Hören Platz. Die Rauheit des mit der Axt gespaltenen Holzes nimmt archaische
Bedeutungen an: Die des Oikos, der Pergamentornamente, japanischer
Architektur, der Architektur ohne Architekten, von Holzbibliotheken des 18.
Jahrhunderts und weiter Brancusis hölzerner Skulpturen oder spezifischer,
heute degradierter Konstruktionen, sog. "Häuser aus Holzkloben".
In horizontalen Anordnungen überträgt
Weryha-Wysoczañski die Entropie der Land Art und das Konkrete der Minimal Art
in die Gegenwart: Den phänomenologischen Geist der Arbeiten von Carl Andre,
die ephemeren Handlungen von Richard Long, Robert Smithson und anderen
Denkern - Wanderern des vergangenen Jahrhunderts. Auf der anderen Seite beruft
er sich auf die ältesten Traditionen der Weltkulturen: Das Aufschütten von
Mandalas oder das Abstecken klösterlicher Zonen der Kontemplation.
Faszinierend ist der Kontakt mit diesen
angehaltenen und bedeutsamen Gesten des Künstlers, wie er aus den Brettern
Schimmern durch das polychrome Ansengen erreicht, wie er in der Maserung im
Durchschnitt natürliche Bilder der Visualisten aufdeckt. Der
Künstler multipliziert, baut Strukturen, Serien, abwechselnd legt er zusammen
und auseinander, gibt toten Bäumen Kraft zurück, die durch den Wind gebrochen
oder zur Abholzung vorbestimmt waren, wie die zur Kunst erhobenen jungen
Birken - Material der zentralen monotonen Installation auf der Fläche
eines griechischen Kreuzes. Ihnen gegenüber hat er Wegetappen in dem aktiven
Raum abgesteckt und weckt einen in der Kunstperzeption verkannten Sinn - den
Geruchssinn. Junge Bäume duften sehr, in der Intention des Künstlers
provozieren sie zur Reflexion wie wichtig sie im geschlossenen Komplex der
ökologischen Uhr sind, dass ihr Fehlen ein Ende allem Sein setzen würde.
Der langjährige, kontemplative Prozess mantrischer Unterteilung, Trennung,
Ordnung und Entdeckung von Naturgeheimnissen ist für Jan de
Weryha-Wysoczañski eine Art Ritual, in dem er den Raum erkennt und zeichnet.
Physische Erschöpfung stellt das Gleichgewicht der Seele wieder her - die
totale Ruhe. Vor allem gibt es keine Aufteilung zwischen dem was Leben und
dem was Kunst ist. Man soll sich nicht beeilen, man darf sich nicht verlieren.
In Jahre 1999 schuf er in Neuengamme bei Hamburg ein ergreifendes Denkmal
gewidmet den deportierten Polen nach der Niederschlagung des Warschauer
Aufstandes und allen Opfern. Der Künstler vereint in ihm die Ideen der
Erneuerung des 20. Jahrhunderts im Denken über das Denkmal. Auf eine
quadratische glatt polierte steinige Fläche, die sich aus 36 kleineren
Platten jede mit den Maßen 90 x 90 cm zusammensetzt, stellte der Künstler in
geschlossener architektonischer Ordnung dreißig Hand behauene Granitelemente
- die auf die Individualität eines jeden Menschen hinweisen. Der zur
Granitplatte hinführende mit Granitschotter ausgelegte Weg erinnert an den
Leidensweg, den die zum Tode verurteilten Häftlinge des KZ-Lagers zurücklegen
mussten. Die von dem Künstler von dem Chaos der Welt isolierte saubere,
asketische Gedächtniszone zwingt zum Stehenbleiben, zum Überblenden, zum
Schweigen.
Dorota Grubba, Mai 2006
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